Als ich noch zur Schule ging, begann Weihnachten frühestens am 1. Advent. Aber das hatte mit uns Kindern noch herzlich wenig zu tun. Wir schrieben Anfang Dezember einen Wunschzettel, legten ihn auf die Fensterbank und hofften das Beste. Plätzchen wurden ausschließlich im Himmel gebacken, was leicht erkennbar war am Morgenrot. Wenn ich Mutter im Advent(!) doch dabei erwischte, wie sie Spritzgebäck für Weihnachten durch den Fleischwolf drehte, gab es allenfalls ein Versucherle. Alle anderen Plätzchen wanderten in großen Blechdosen in den Keller.

Als Kind brachte das Christkind alles mit, was zu Hause und für meine Familie zu Weihnachten gehörte: Der geschmückte Weihnachtsbaum, Plätzchenteller und selbstverständlich auch die Geschenke. Selbst als ich größer war und das Christkind längst enttarnt, kam der Weihnachtsbaum erst am 24.12. ins Wohnzimmer und wurde dann geschmückt. Ganz klassisch in Silber und mit viel Lametta.

Weihnachten ist dann, wenn es sich für Händler lohnt.

Heute beginnt Weihnachten schon nach den Sommerferien. Die ersten Schokoladen-Nikoläuse tauchen in den Supermärkten auf. Lebkuchen, Weihnachtsgebäck und Glühwein folgen dicht an dicht. Und kaum ist das Halloween-Spektakel vorbei, wird es richtig bunt. Beim Discounter liegen  erste Lichterketten und jede Menge Deko-Kram.

Jetzt habe ich herausgefunden, wer all das kauft und nicht bis Weihnachten warten kann, um mir ihre Überlegenheit in Sachen Weihnachtsdeko zu zeigen: es sind meine Nachbarn. Schon vor zwei Wochen glimmten abends dort die ersten Sterne. Inzwischen hängen Lichterketten an den Thujen, umringen Terrassenpfosten und umrunden sämtliche Fenster. Am Balkongeländer hängt ein billiger Nikolaus, der vermutlich, so wie die Lichterketten, aus China zu uns gekommen ist. Ein Graus.

Der Weihnachts-Wahn kennt keine Grenzen.

Meine Nachbarn sind leider nicht alleine dem Deko-Wahn verfallen. Auf Facebook überschlagen sich die Fotos mehr oder weniger gelungener Adventskalender, Adventskränze und kitschiger Weihnachtsdeko. Sogar Weihnachtsbäume tauchten heute schon in meiner Timeline auf. Zu Hilfe! Ich will von alledem nichts wissen. In exakt vier Wochen ist Weihnachten und nicht heute. Wie wollen sich die Leute am 24.12. denn noch steigern wenn heute schon alles im Überfluss vorhanden ist: Der Glanz der Lichter und alles andere auch? Wie sollen sich Kindern auf Nikolaus freuen, wenn der „nur“ eine Tüte mit Apfel, Nuss und Mandelkern bringt? Das gibt’s doch alle Tage und ist nicht begehrt bei Kids? Selbst ein Nikolaus aus Schokolade weckt längst keine Begierden mehr denn der steht sich seit September beim Discounter die Beine in den Bauch und wird bald schon verhökert zum halben Preis. Letzten Sonntag öffneten einige traditionelle Weihnachtsmärkte eine Woche vor dem ersten Advent. Kunden würden es so wollen, heißt es zur Begründung, und Händler jubeln bei der Aussicht auf gute Geschäfte an den glitzernden Ständen.

Lichterketten und Deko statt Stille und Einkehr.

Früher bedeutete Advent VORfreude auf Weihnachten. Heutzutage findet der größte Deko-Wahn und der Gipfel der Lichterketten zwischen Halloween und Silvester statt. Völlig vom Sinn befreit und bis zum Anschlag angefüllt mit zwanghaften Kommerz und einer Hektik, die nichts mit der viel gepriesenen „staden Zeit“ zu tun hat. Wirklich schade um dieses einst so schöne Fest.

 

Fiona Amann

Fiona Amann ist Werbetexterin, Auftrags-Bloggerin, Produkt- und Blumenfotografin. In ihrer Freizeit gärtnert sie leidenschaftlich gerne und verknüpft ihre Talente in ihren 3 Gartenblogs. In ihrem Blog "Im E-Blätterwald" bloggt sie bereits seit 2003 über Wundersames, Kreatives, Kommunikatives und Menschliches